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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 08.07.2013


Making Love a Crime - Amnesty International legt Bericht über die Kriminalisierung von LGBTI-Personen im sub-saharischen Afrika vor
Veronika Siegl

Es sind ambivalente Entwicklungen, die sich in den letzten Jahrzehnten verzeichnen lassen. Denn während manche afrikanischen Staaten anti-diskriminierende Gesetzgebungen implementiert haben, ...




... ist Homosexualität in den restlichen 38 Staaten des Kontinents noch immer strafbar.

Er hätte dringend Medikamente gebraucht, aber die Ärzt_innen des Mukono Spitals in Uganda seien für die Behandlung "zu beschäftigt" gewesen, erzählt der Jugendarbeiter Najib Kabuye über das Sterben eines Freundes. Eine Mischung aus Homophobie und der Angst, sich sowohl mit dem AIDS-Virus als auch "mit Homosexualität anzustecken", bedeutete für diesen nach zwei Wochen den Tod. Auf seinem Krankenblatt waren die Worte "known homosexual" vermerkt.

Diskriminierung und Gewalterfahrungen prägen den Alltag vieler Menschen, die sich nicht den Geschlechts- und Sexualitätsnormen ihrer Gesellschaft unterwerfen wollen. Ende Juni 2013 hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International einen Bericht veröffentlicht, der Veränderungen in Bereich LGBTI-Rechte diskutiert und historisch kontextualisiert. Die knapp 130 Seiten basieren auf der Analyse von nationalen und internationalen Gesetzgebungen, Gerichtsurteilen, akademischen Auseinandersetzungen, Interviews mit über 60 Personen aus den Bereichen Aktivismus, Wissenschaft, Recht und Medizin sowie Überlebenden von Gewalterfahrungen in Uganda, Kamerun, Kenia und Süd-Afrika.

Verschärfte Gesetze

Wesentliche Schlussfolgerung des Berichtes ist die Feststellung einer klaren Tendenz zur weiteren Marginalisierung von LGBTI-Personen. 2008 verabschiedete der Sudan ein Gesetz, das homosexuelle Handlungen mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren kriminalisiert. Seit 2009 gibt es ein ähnliches Gesetz in Burundi und rechtliche Verschärfungen bezüglich gleichgeschlechtlicher Sexualität wurden auch in Nigeria (2011) und Liberia (2012) implementiert. In den nördlichen Regionen Nigerias, den südlichen Regionen Somalias und des Sudan sowie in Mauretanien wird auf Homosexualität weiterhin die Todesstrafe verhängt. Starke Stimmen für diese gibt es auch in Uganda, nicht zuletzt unter den Befürworter_innen des "Anti-Homosexuality Bill".

Südafrika – Recht vs. Lebensrealität

Das südlichste Land des Kontinents nimmt in den Diskussionen über LGBTI-Rechte eine besonders ambivalente Rolle ein. Südafrika hat innerhalb der UNO eine führende Rolle in der Promotion von Menschenrechtagenden eingenommen und gibt sich auch auf Ebene der nationalen Gesetzgebung als liberal. Es war das erste Land, das Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität verbot. Zu verbuchen gibt es seit kurzem positive Entwicklungen für Schwule und Lesben in Bezug auf Adoptionsrechte und Ehe.

Die Alltagsebene zeigt aber eine andere Seite auf: "LGBTI rights are more visible, and claiming LGBTI identities is more common", berichtet die refugee-Aktivistin Gail. "This has created a backlash. But there`s also a backlash against the changing roles of women and gender equality. [...] There is a lag between the constitution and social attitudes." So gibt es gerade in Südafrika ein besonders hohes Gewaltpotential gegenüber denen, die nicht den gängigen Geschlechts- und Sexualitätsnormen entsprechen. Sehr häufig kommt es zu sogenannten "corrective rapes" (der Bericht diskutiert auch diesen umstrittenen Begriffes) und allein zwischen Juni und November 2012 wurden sieben Personen ermordet, fünf davon waren lesbisch.

Viele Aktivist_innen sehen die anhaltende Gewalt gegen LGBTI-Personen im Kontext einer post-konfliktiven Gesellschaft. "This is not to shift the blame", meint die in Cape Town lebende Janet Jobson, "but it is to situate them in the context of South Africa`s violent history and strong patriarchy. The violence is playing out at the intersection of gender and sexuality, race, class and culture."

Polizei, Medien, Kirche

Als zentrale Akteur_in im Feld der Menschenrechte greift Amnesty International neben der Regierung und der Zivilgesellschaft u.a. die Polizei heraus. Von dieser gehen nicht nur viele Gewalthandlungen gegenüber LGBTI-Personen aus, durch ihr Wegschauen werden viele Übergriffe auch erst ermöglicht. Oft wird die Schuld den Betroffenen selbst in die Schuhe geschoben, es kommt also zu "sekundären Viktimisierungen" - in Folge wird Gewalt nur selten angezeigt.

Im Prozess der gesellschaftlichen Meinungsbildung nehmen vor allem die Medien eine wichtige Position ein, die oft dazu genützt wird, LGBTI-Personen zu outen oder weit hergeholte Verschwörungstheorien voranzutreiben. Die kamerunische Zeitung L`Anecdote veröffentlichte etwa in 2006 eine Liste der "The Top 50 Presumed Homosexuals in Cameroon". Die meisten dieser Personen waren in ihren Funktionen in öffentlichen Ämtern für Korruption bekannt, was laut der Zeitung ein offensichtliches Indiz für Homosexualität sei. Mit den Wortkreationen "homocracy" und "anusocracy" schürte sie Angst vor den "reichen, korrupten Homosexuellen".

Aussagen wie diese sind keine Seltenheit und kommen auch aus dem Mund führender Politiker_innen. So haben sowohl der Präsident von Namibia als auch von Zimbabwe des öfteren Schwul- und Lesbischsein mit Themen wie Korruption, Pädophilie, Kindesmord, Pornografie und anderen gesellschaftlichen Übeln verbunden. Letzterer – Robert Mugabe – bezeichnete Schwule und Lesben unlängst als "worse than dogs and pigs".

Diese Diskurse finden sich ebenfalls im Kontext religiöser Kongregationen wieder. Besonders vehement bekämpfen evangelikale Kirchen Homosexualität, die in ihren Bemühungen oft von den USA finanziell unterstützt werden – sowohl von anderen evangelikalen Gruppen als auch von der nordamerikanischen Regierung selbst.

Homosexualität als koloniales Erbe?

In diesen Diskussionen wird sich – vor allem von religiös-konservativer Seite – gern des Arguments bedient, dass LGBTI-Identitäten "un-afrikanisch" seien und durch den Kolonialismus importiert wurden. Laut einer Studie von 2008 vertreten ganze 80% der südafrikanischen Gesellschaft diese Meinung.

In vielen Ländern des sub-saharischen Afrikas hatten gleichgeschlechtliche Beziehungen aber eine lange Tradition – In über 40 ethnischen Gruppen in Süd-Afrika, Benin, Nigeria, Kenia und dem Südlichen Sudan gab es bespielsweise Ehen zwischen Frauen.Der Bericht zeigt auf, dass in der Kolonialzeit nicht-normative Sexualitäten und Geschlechterrollen als rückständig und unzivilisiert propagiert wurden, daher also nicht diese, sondern die diskriminierenden Gesetzgebungen ein Erbe dieser Periode darstellen.

Aktive Zivilgesellschaft

Trotz der eher restriktiven Entwicklungen haben einige Länder in den letzten Jahren auch wichtige Schritte in Richtung Anerkennung von LGBTI-Rechte gesetzt. Beispielsweise haben Staaten wie Mozambique (2007) und Botswana (2010) Gesetze erlassen, die Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung verbieten. Auch die neue kenianische Verfassung von 2010 enthält Paragraphen, die LGBTI-Rechte unterstützen. Und in Ruanda gab der Justizminister öffentlich bekannt, dass Homosexualität nicht kriminalisiert werden würde, da Sexualität eine private Angelegenheit sei.

Amnesty International fordert, dass die anderen Länder südlich der Sahara nachziehen und appelliert an die African Commission on Human and Peoples` Rights, die Rechte aller Afrikaner_innen zu beschützen. Hoffnungsvoll zeigt sich Amnesty International nicht zuletzt deshalb, weil der Druck sowohl auf internationaler Ebene als auch durch die zahlreichen nationalen NGOs und grassroots Bewegungen wächst, die lautstark für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans- und Intersex-Personen eintreten.

Link zum Amnesty International-Bericht:

"Making Love a Crime"

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Im Schatten der Apartheid. Frauen-Rechtsorganisationen und geschlechtsspezifische Gewalt in Südafrika



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Beitrag vom 08.07.2013

AVIVA-Redaktion